Traditionen sind langlebig. Eine davon ist das im 15. Jahrhundert gegründete Sultanat von Aïr mit seiner Hauptstadt Agadez. Sie wurde der Überlieferung nach 1449 von den Berbern gegründet, geriet ein paar Jahrzehnte später unter die Herrschaft der Songhai und wurde schließlich von den Tuareg erobert – den Herrschern der Wüste. Bis heute wird das Gebiet von einem Sultan geführt, der aber mehr eine repräsentative Funktion hat. Als Bewahrer der Glaubens ist er jedoch hoch angesehen.

Die Residenz des Sultan ist ein Palast, der im Zentrum von Agadez liegt und ebenfalls im 15. Jahrhundert erbaut worden sein soll. Er war der Überlieferung nach das erste Lehmziegelgebäude der Stadt. Heute umfasst der Palast mit seinen zahlreichen Gebäuden eine Fläche von rund 1,2 Hektar.

Unmittelbar an den Palast schließt sich die Große Moschee von Agadez an, die ebenfalls im 15. Jahrhundert errichtet wurde. So hat der Sultan einen Privatzugang zur Moschee. Ausländische Besucher müssen sich die Erlaubnis des Sultans einholen, um das wunderbare Bauwerk mit seinem architektonisch einmaligen Minarett zu besichtigen. Manchmal ist es sogar möglich, das 27 Meter hohe Minarett zu besteigen: 99 Stufen sind es bis zur obersten Plattform, wobei der Aufstieg wegen der zuweilen qualvollen Enge nichts für große Leute ist.

Ein großes Erlebnis ist es, wenn der Sultan mit seinem Hofstaat der Stadt die Ehre gibt. Dann ist eine kleine bunte Karawane unterwegs, die allseits bestaunt und oft auch mit Ehrfurcht begrüßt wird. Angeführt wird sie von einer Musikgruppe mit traditionellen Instrumenten und Trommeln – vorweg ein in weiß gekleideter Herold, der weithin vernehmbar den Sultan angekündigt.

Nach den Musikanten folgt die rot gekleidete persönliche Garde des Sultan. Sie bildet einen engen Schutzwall um das Transportmittel des Sultan, das heute ein weißer Toyota Pickup ist. Hier sitzt der Sultan im Schatten seines Sonnenschirms, der extra von einem weiteren Bediensteten gehalten wird.

Schließlich sind da noch die Reiter, die den Schutz vervollkommnen. Sie bilden den zweiten Wall um den Sultan von Agadez. Die Araberhengste werden beim Ausritt reich geschmückt.

Früher gab es Direktflüge von Paris nach Agadez. Und so konnten sich Touristen das Schauspiel ansehen, die Stadt besichtigen und das Weltkulturerbe bestaunen. Heute stehen zumeist nur noch Einheimische am Straßenrand. Es wäre der Stadt und der Region zu wünschen, dass bei einer besseren Sicherheitslage diese einst florierenden Zeiten wiederkommen.